Linksrum - Woche 3/2017 |
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Bildlegenden |
Der Journalist und Historiker Stefan Keller hat in seiner Fotosammlung gestöbert, sich erinnert oder recherchiert. Daraus entstanden ist ein wunderbar nostalgischer Buchband. Dem Linksrum stellt Stefan Keller zehn von der Redaktion ausgewählte Bilder samt Legende mit Thurgaubezug zur Verfügung.
Zu den Fluchthelfern aus der Zeit des Nationalsozialismus,
die in der Schweiz verfolgt worden sind, gehörte der deutsche
Arzt Nathan Wolf aus Wangen auf der Halbinsel Höri
am Bodensee. Im September 1943 stand er in Zürich vor
Militärgericht, weil er einen Mann dazu angestiftet hatte,
eine Jüdin illegal von Singen nach Ramsen zu holen. Der
Frau hätte die Deportation gedroht, für ihre Rettung erhielt
Wolf sechs Monate Gefängnis bedingt. Vor zehn Jahren, im
September 2004, hat eine Kommission der Bundesversammlung
dieses Urteil aufgehoben und den Arzt rehabilitiert.
Nathan Wolf war selber Jude. 1939 floh er auf verblüffende
Weise in die Schweiz: Er bestieg in Wangen ein
Kursschiff und ging unbehelligt in Stein am Rhein von
Bord. Als Ausflugstourist sozusagen. Sechs Kilometer
von seinem Wohnhaus, der christlichen Ehefrau und zwei
Kindern entfernt sass er nun im Exil. An Sonntagen
fuhr er mit dem Schiff, das seit Kriegsbeginn auf deutscher
Seite nicht mehr anlegte, nach Steckborn, um auf der
Vorbeifahrt seinen Kindern am Ufer zu winken.
Über den tapferen Nathan Wolf, der noch weiteren
Menschen zur Flucht verhalf, wurde schon einiges
publiziert. Kürzlich ist jedoch ein Buch erschienen, das
eine neue Geschichte erzählt: jene des jungen deutschen
Militärarztes Wolf im Ersten Weltkrieg. Sorgfältig
ausgewählt und kommentiert sind seine Fronttagebücher
abgedruckt. Sie zeigen ihn als hochdekorierten Haudegen
und als unbelehrbare Kriegsgurgel. Er will Paris
dem Erdboden gleichmachen, ganz Anatolien als Kolonie
annektieren. Meist nur Verachtung hat er für minderwertige
«Französlinge» und andere Feinde übrig. Nach
den Blutbädern kehrt er 1918 «lustlos» an den Bodensee
zurück.
Bestellen kann man das Buch bei Marianne Sax' Buchhandlung in Frauenfeld oder in einer anderen Buchhandlung ihrer Wahl.