Linksrum - Woche 41/2018

Grossratsgeflüster

zugespitzt

Grossratsgeflüster vom 03. Oktober 2018

WEGA-Sitzung

von Christian Koch, Kantonsrat Matzingen

Es ist ein trister Montagmorgen. Beim Einfahren des Intercitys zeichnet sich in der Morgendämmerung schemenhaft der Umriss eines Riesenrades gegen den wolkenverhangenen Himmel ab. Der Regen klatscht gegen das Pflaster der Thurgauer Nichthauptstadt. Nass wie begossene Pudel treffen die Fraktionsmitglieder im Restaurant Löwen ein und bestellen sich meist erstmal einen Kaffee. Ein Blick auf die heutige Tagesordnung zeigt es unmissverständlich. Diese Sitzung muss stattfinden, auch wenn es eigentlich keine sinnvollen, geschweige denn wichtigen, Geschäfte gibt. Es ist halt WEGA-Sitzung.

Das erste Geschäft wird diskussionslos erledigt. Schlussabstimmung Änderung Volksschulgesetz. Beim zweiten Geschäft "Überprüfung der Bürgerfreundlichkeit der Steuerpraxis" lehnt der Rat Diskussion ab. Dabei wäre das Votum vorbereitet gewesen, in welchem einmal mehr auf den Wert des Personals hingewiesen worden wäre. Auch beim dritten Traktandum möchte ein erheblicher Teil des Rates gar nicht erst darüber debattieren. Der Grossratspräsident wird langsam unruhig, denn wird auch hier Diskussion abgelehnt, gehen ihm die Geschäfte aus. Doch eine Mehrheit erinnert sich daran, dass wir ein Parlament sind und stimmt der Debatte zu.

Inhaltlich gibt das Thema Phosphor-Rückgewinnung jedoch nicht viel her. Eigentlich ist alles bereits durch den Bund vorgegeben. Das letzte Geschäft betrifft die Medien, insbesondere die Printmedien. Reihum lobt jeder, der mag, sein lokales Käseblatt als mediale Perle, welche nicht vor die Säue geworfen werden darf. Unser kantonales Einheitsblatt wird gleichermassen gescholten wie gelobt. So wird die Zeit bis zum bevorstehenden Apéro verdiskutiert.

Endlich schliesst der Grossratspräsident die Sitzung. Mit einem Glas "Chlöpfmost" in der einen und einem Häppchen Käse in der anderen Hand eröffnet sich die Perspektive auf ein Wimmelbild aktueller sozialer Probleme, interessanter Charaktere und spannender Sexualpraktiken. Die Kantonsräte werden pauschal verdächtigt, ein Doppelleben zu führen. Bei genauer Betrachtung auf dem Bierdeckel zeigt sich, dass dies deutlich zu kurz greift. Die meisten könnten zumindest als Katzen durchgehen, die haben ja bekanntlich sieben Leben.

Nach ausgiebiger Inspektion des Degustations-Treffs sammeln sich die Kantonsräte in der Halle 7. Es zeigte sich, dass nicht nur Politiker gerne reden, sondern auch Messe-Organisatoren. Doch das ist Wurst, denn genau diese wird jetzt serviert.

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