Linksrum - Woche 44/2017

Susanne international

zugespitzt

Was die Schweiz von Österreich lernen könnte

von Susanne Oberholzer, Österreich-Korrespondentin Linksrum

Die Wahl in Österreich ist geschlagen. Ich könnte mich hier nun über das Wahlresultat auslassen, mich darüber aufregen, dass die SPÖ den Wahlkampf dilettantisch selbst in den Sand gesetzt hat (nachzulesen z. B. hier). Ich könnte mich auch darüber aufregen, dass die Grünen an der 4-Prozent-Hürde gescheitert sind und den Einzug ins Parlament verpasst haben (und sie sich das ebenfalls zu weiten Teilen selbst zuzuschreiben haben). Ich könnte mich aber vor allem darüber aufregen, dass mit ÖVP und FPÖ die beiden Parteien derzeit über eine Regierungskoalition verhandeln, die sich im Wahlkampf den äusseren rechten Rand gegenseitig streitig gemacht haben. Das tue ich aber nicht: Ich muss diese Kolumne der aktuellen Familienpolitik in der Schweiz und Österreich widmen, weil ich mich seit Monaten über die Schweizer Familienpolitik ereifere - und der Ärger letzte Woche einen neuen Höhepunkt erreicht hat.

Fassungslos habe ich hier in Wien zur Kenntnis genommen, dass dem Bundesrat ein vierwöchiger (!) Vaterschaftsurlaub zu teuer ist (eine Milliarde für Olympische Winterspiele im Wallis aber nicht .). Die Schweiz bleibt nach dem Willen des Bundesrates also weiterhin familienpolitisch in der Steinzeit und auf einem der letzten Plätze in Europa. Viel weiter vorne ist Österreich, das die Schweiz in punkto Familienpolitik bei weitem überholt hat (und ich bin deswegen dankbar, derzeit in Österreich zu leben), wie man an folgenden Leistungen, von denen man in Österreich profitiert, sieht:

  • Elternkarenz: Beide Elternteile können je einen Teil des Elternurlaubs ("Karenz") beziehen. Die maximale Dauer der Elternkarenz beträgt 2 Jahre. Der Arbeitgeber muss die Stelle für die Mutter/den Vater freihalten.
  • Kinderbetreuungsgeld: Während der Karenz (bzw. auch darüber hinaus) bezieht die Mutter/der Vater Kinderbetreuungsgeld (die maximale Bezugsdauer beträgt dabei 1063 Tage, also 35 Monate).
  • Partnerschaftsbonus: Wird das Kinderbetreuungsgeld zu annähernd gleichen Teilen bezogen (50:50 bis 60:40), bekommt das Elternpaar einen Bonus von 1000 Euro.
  • Familienzeitbonus: Der Vater kann seine Erwerbstätigkeit innerhalb der ersten drei Monate nach der Geburt des Kindes unterbrechen und einen Monat bei seiner Familie zu Hause bleiben ("Papamonat"). Er bekommt dann pro Tag 22,60 Euro (die allerdings beim Bezug von Kinderbetreuungsgeld durch den Vater von diesem wieder abgezogen werden). Einen Rechtsanspruch darauf gibt es nur für öffentlich Bedienstete.

Der Familienzeitbonus bzw. Papamonat entspricht also zeitlich gesehen genau der Schweizer Vaterschaftsurlaubs-Initiative. Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass es für die ganze Familie Gold wert ist, wenn der Vater die ersten vier Wochen bei seiner Partnerin und dem Neugeborenen zu Hause bleiben kann. Hier könnte die Schweiz also von Österreich etwas lernen: Ich hoffe für alle Väter, Mütter und Kinder in der Schweiz sehr, dass wir die Empfehlung des Bundesrates bei der Volksabstimmung nicht befolgen und der Vaterschaftsurlaubs-Initiative zur Annahme verhelfen werden!

PS: Kein Geld für Vaterschaftsurlaub, aber eine Milliarde für Olympische Spiele 2026 im Wallis: Auch hier könnte die Schweiz von Österreich lernen! Am Wahlwochenende hat das Bundesland Tirol über Olympische Spiele in Tirol 2026 abgestimmt: Das Stimmvolk hat Nein zur Bewerbung gesagt. Die Milliarde könnte man auch in der Schweiz durchaus für Sinnvolleres einsetzen.

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