Linksrum - Woche 10/2017

Fraktionserfolg

zugespitzt

Ein niederschwelliges Ausbildungsangebot

von Turi Schallenberg, Kantonsrat Bürglen

Am 1. März 2017 hat der Grosse Rat definitiv die Anpassungen im Gesetz über die Berufsbildung und die Mittelschulen (GBM) mit 118 Ja- zu null Neinstimmen angenommen. Damit ermöglicht er ein niederschwelliges Ausbildungsangebot im ersten Arbeitsmarkt.

Vorgeschichte

Am 26. Februar 2014 stimmte dieser Rat unserer Motion vom 17. April 2013 zu, dass eine gesetzliche Grundlage für ein niederschwelliges Berufsbildungsangebot geschaffen werden soll. Motionäre waren Roland A. Huber (BDP), Margrit Aerne (SVP), Cäcilia Bosshard (CVP), Kristiane Vietze (FDP) und ich (SP, ist ja logisch ;-) ). Seither ist ziemlich viel Wasser die Thur hinab geflossen und auch der Pegelstand des Bodensees ist einige Male rauf und runter gegangen.

Ein ähnliches rauf und runter erlebten wir bei der Umsetzung dieser Motion. Der Regierungsrat schlug zuerst einen neuen § 16a 'Kantonales Ausbildungsattest' vor, welcher dann in der ersten Lesung mit dem knappest möglichen Resultat, per Stichentscheid des Ratspräsidenten aus dem Gesetz gekippt wurde. Und dann wurde sehr viel diskutiert und es entstand eine Solidaritätswelle zu Gunsten einer echten Lösung, die mich überraschte und gleichzeitig sehr, sehr gefreut hat. Dementsprechend konnten wir erreichen, dass das Geschäft in der zweiten Lesung an den Regierungsrat zurück gewiesen wurde.

Worum geht es

Wir Befürworter wollen ein kantonales Ausbildungsangebot, damit schulschwache Schulabgänger eine Berufsausbildung machen können, auch wenn sie zu schwach sind für eine eidgenössische Lehre. Von der Gegnerschaft hörte ich unter anderem, dass man keine neue Ausbildungskategorie schaffen wolle, wenn es keine Anschlusslösungen gebe. Die aktuelle Situation aber wie folgt aus und ich zitiere jetzt Aussagen von Ausbildnern:

  • Bei uns gibt es junge Menschen, die aus verschiedensten Gründen das schulische Leistungsniveau einer EBA, also einer Eidg. Berufs-Attestausbildung nicht erreichen können. Für Menschen, welche handwerklich durchaus begabt sind und schulisch grosse Defizite mitbringen, ist es zentral, dass sie trotzdem einen Berufsabschluss machen können. Eine solche Anlehrzeit unterstützt den Einstieg ins Erwerbsleben dieser Menschen enorm und hebt den so wichtigen Selbstwert.
  • Bei uns arbeiten immer wieder motivierte Jugendliche, die praktisch begabt aber schulisch nicht leistungsfähig sind. Für sie ist deshalb auch die zweijährige Basisausbildung (EBA) schulisch nicht machbar. Umso wichtiger ist es, diesen motivierten Menschen eine praktische berufliche Grundbildung zu ermöglichen. Bei einer fehlenden beruflichen Grundbildung ist das Risiko für eine Abhängigkeit von der Sozialhilfe ungemein grösser.
  • Wir haben kein Gefäss für lernschwache Schulabgänger die nur im Ansatz eine Ausbildung auf EBA Niveau absolvieren können.
  • Ich habe EBA-Schüler für die der Schulstoff viel zu schwierig ist. Einige können kaum ihren Namen schreiben, würden aber genötigt, sogenannte selbständige Vertiefungsarbeiten zu schreiben.

Das sind nur einige Meldungen und es würde zu weit führen alle unterstützenden Meldungen abzubilden.

Nach der Rückweisung des Geschäfts an den Regierungsrat, hatte sich sehr viel getan; der Regierungsrat hatte sich nochmals intensiv mit der kantonalen und gesamtschweizerischen Situation auseinandergesetzt und mit der Botschaft vom 16. August 2016 dem Grossen Rat einen Vorschlag unterbreitet, der nun für fast alle akzeptabel war.
An dieser Stelle darf ich erwähnen, dass Regierungsrätin Monika Knill und der Chef des Amtes für Berufsbildung und Berufsberatung, Marcel Volkart sich sehr für die Jugendlichen, denen der Berufseinstieg nicht leicht fällt eingesetzt haben. Auch an dieser Stelle sein ihnen dies bestens verdankt.

Neuer Gesetzesartikel

Im § 3 des GBM 'Personen mit besonderen Bedürfnissen' wurde der neue Abs. 2 eingefügt, der da heisst: "Für leistungsschwache Jugendliche mit Wohnsitz im Kanton Thurgau kann der Kanton ein niederschwelliges Ausbildungsangebot im ersten Arbeitsmarkt vorsehen. Der Regierungsrat regelt die Einzelheiten."

Dank dem Grosseinsatz aller Befürworter ist dieser § ins Gesetz aufgenommen worden und wir können nun im Kanton ein Angebot schaffen, welches schulschwachen Jugendlichen eine echte Chance gibt. Dies funktioniert natürlich nur, wenn es entsprechende Lehrstellen, bzw. Arbeitgeber gibt und jetzt haben wir nicht nur viele Arbeitgeber, sondern auch die Arbeitgebervertreter mit im Boot.
Etwas weiteres Gutes hatte diese Zusatzrunde auch noch gebracht, nämlich das nun auch dem Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI klar ist, dass es in der schweizerischen Bildungsstrategie ein Loch hat - dieses Loch, das wir jetzt im Thurgau flicken.

Turi Schallenberg, 01.03.2017

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