Linksrum Woche 43/2016

Schuldiskussion

zugespitzt

Der Kampf gegen den Lehrplan ist ein Kampf gegen die Volksschule - Ein wuchtiges, linkes Nein gegen die Initiative

Dieser Beitrag ist eine Einsendung von SP Frauenfeld Schulbehördenmitglied Hansjörg Brem. Möchtest Du es ihm gleich tun? Schreib uns!

Eigentlich genügen politische Fakten: Ein grosser Teil der Unterschriften für eine weitere Verpolitisierung der Volksschule wurde von deren erklärten Gegnern gesammelt. Dafür bürgen bekannte Namen in den Komittees, Leserbriefe aus einschlägigen Kreisen im Hinterthurgau sowie Personen, deren politische Ausrichtung grosszügig als "konservativ" bezeichnet werden kann. Nun, das gehört zur demokratischen Fauna und Flora - nur weshalb wird immer wieder betont, dass man aus allen Lagern kompetente, besorge Lehrplangegner dabei habe. Hat man das tatsächlich? Tatsache ist, dass der neue Lehrplan weder ein linkes noch ein rechtes Projekt ist. Tatsache ist auch, dass die Volksschule wie wir sie seit 150 Jahren kennen auch kein linkes oder rechtes Projekt, sondern allenfalls eines der Aufklärung ist. Ein für uns wesentliches Element ist - ein urlinkes Anliegen - dass Kinder egal aus welchen Kreisen dieselbe Schule besuchen. Die SP sieht darin ein Element der Chancengleichheit und auch des Aufbaus einer möglichst egalitären (heute würde man eher fairen Gesellschaft), die ohne massive Verteilkämpfe auskommt. Es ist richtig, dass von 1965 bis weit in die 1980er Jahre die Volksschule von Links unter Beschuss war und es ging dabei auch um Lehrinhalte: So galt die Schule lange als zu wenig frei und offen in den Methoden. Die extreme Rechte behauptet heute aber - und viele Initiantinnen und Initianten der Initiative sind diesen Glaubens - dass sich die Linke in der Schule mit ihren Anliegen durchgesetzt habe und die Schule deshalb gesäubert werden müsse.

Da der gewichtige aber eher trockene Stoff des Lehrplans Thurgauer Volksschule kaum Angriffsflächen bietet, werden derzeit im Abstimmungskampf vor allem Absurditäten in die Welt gesetzt, die mit dem Inhalt aber auch dem Hintergrund des Lehrplanes nichts zu tun haben. Zum Beispiel, dass "Schüler sich selber überlassen werden" oder dass kein Klassenunterricht mehr bestehe. Zum selben "Zitatenschatz" gehören auch die beschworenen Jahrgangsziele (obwohl es im ganzen Kanton kaum eine Klasse mit Schülerinnen und Schülern des gleichen Jahrganges gibt). Gekrönt vom üblichen Tenor der Verschwörungstheoretiker: Die Befürworter des Lehrplans stehen unter Druck, sind manipuliert und Teil einer gigantischen Maschinerie - und so weiter und so fort.

Die aktiven Befürworter der Initiative stellen in Abrede, dass die Macherinnen und Macher des Lehrplans und dessen Unterstützer redliche Absichten verfolgen, sie sind eben Opfer ihrer stetig enger werdenden Weltsicht.

Tatsächlich durchgesetzt haben sich Globalisierung und Ökonomisierung sowie - wenn man so will - eine neue, digitale Welt. Und damit bei nüchterner Betrachtung, das wissen auch die durchaus strategisch denkenden Lehrplangegner: Es wird nie mehr eine Volksschule à la 1950er Jahre geben und eine Betriebsanleitung auf einem Blatt dazu auch nicht. Aber man kann so lange die Schule verpolitisieren und lähmen, dass breite Kreise die Volksschule "aufgeben" - eben drum, weil es wohl den meisten um Bildung und Bildungsfreiheit geht und nicht darum, ob und wann das Thurgauer Lied gesungen wird und ob wir bestimmten Glaubensinhalten im Unterricht mehr Bedeutung schenken wollen. Es ist nun gut möglich, dass ein Teil der ehrlich besorgten, engagierten Gegner (darunter einige wenige mit dem SP-Siegel) glaubt, dass sich im Lehrplan eine hinterlistige oder schlicht falsche Politik verbirgt, die man nun für eine gute Volksschule endlich stoppen müsse. Die aktive Rudermannschaft gegen den Lehrplan strebt dagegen danach, die Volksschule durch Privatschulen zu ersetzen um dort ungestört ihre jeweiligen Verschwörungs- und sonstigen Theorien zu pflegen. Natürlich dürfte das "die Linke" dann auch und gerade dies könnte bei einigen eine stille Hoffnung sein, sich gewissen Diskussionen ein für alle mal zu entledigen.

Die SP hatte und hat aber einen anderen Ansatz: Wir wollen eine Schule für alle. Die Volksschule ist immer noch und mit einem neuen Lehrplan das effizienteste Bildungssystem weltweit, das auch breiten Kreisen eine gute Bildung ermöglicht. Ein gewaltsames Aufbrechen wird massive Mehrkosten für den Mittelstand und eine Verschlechterung der Allgemeinbildung bringen. Beim Lehrplan geht es um eine Betriebsanleitung für Fachleute, die sicher nicht zum Spielball von politischen Eintagsfliegen und Verschwörungstheorien gemacht werden soll. Und: Jeder Entscheid im Bereich Lehrplan Thurgau wurde und wird von Personen gefällt, die Mehrheitswahlen klar gewonnen haben und somit über eine klar demokratische Legitimation verfügen. Da ändern auch mehr als 5000 Unterschriften nichts daran.

Es geht bei dieser Abstimmung um einen Angriff auf die öffentliche Schule für alle. Wo die SP und ihre Mitglieder stehen (insbesondere vielleicht nach dem Entscheid des Grossen Rates zu Fremdsprachen, knurrend und hadernd), sollte klar sein: Bildung für alle! Initiative Nein!

von Hansjörg Brem, seit 1991 Mitglied der SP und seit 2009 Mitglied der Primarschulbehörde Frauenfeld

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