Linksrum Woche 35/2016

Persönlich

zugespitzt

Sommer in Griechenland

Ein Reisebericht von Barbara Kern

Müllhalden, Meeresschildschildkröten und Syriza

Fährt man diesen Sommer nach Griechenland, fällt dem aufmerksamen Reisenden schon bei der Ankunft, in meinem Fall auf dem Flughafen Athen, zwei Sachen auf. Ausserhalb des alltäglichen Lärms der eben auf einem internationalen Flughafen herrscht, der Lärm der vielen Taxis, Autos und Busse, ist es auffallend ruhig. Diese Ruhe hat mich befremdet, als ich in der Kolonne stand um mein Busticket nach Piräus zu lösen. Normalerweise herrscht in einer Warteschlange reges diskutieren und politisieren. Es ist nicht nur die Stille, auch die Blicke der Griechinnen und Griechen, erfüllt mit einer erschreckenden Leere, scheinen durch einen hindurch zu blicken. Die seit acht Jahren herrschende Finanzkrise, eine griechisch-menschliche Tragödie mit unklarem Ausgang, hat die Griechen und Griechinnen sprachlos werden lassen - und mich nachdenklich. Denn auch während der sechsstündigen Busfahrt von Athen nach Igoumenitsa, waren keine familiären Geschichten über Scheidungen, Hochzeiten, Taufen oder Beerdigungen zu hören. Die Fahrt glich einer Geisterfahrt, währenddessen die atemberaubende und eindrückliche Landschaft an mir vorbei glitt. Weit über dem Meer, an der gegenüberliegenden Seite der Nordküste der Peleponnes, ist schemenhaft im Dunst der Nachmittagshitze auf der Anhöhe Delfi zu erkennen. Unterhalb der Schnellstrasse lädt ein tiefblaues Meer zum Baden. Die griechische Landschaft kümmert sich nicht um die Krise, auch wenn diese nach und nach tiefe und unübersehbare Spuren hinterlässt.
Spuren, unübersehbar auch für Touristen, drängen sie sich auf olfaktorischem Weg penetrant in unser Bewusstsein, der Gestank meterhoher Müllberge. Wegsehen unmöglich.
Hier zeigt sich in stinkender Weise die Sparpolitik der EU. Dem Staat mangelt es überall an Geld und einige Kehrichtverbrennungsanlagen wurden mangels der Finanzen stillgelegt. Nun wird der Müll nur noch alle drei Wochen entsorgt.

Von Strobilomyces - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=719666

Es gibt aber auch Lichtblicke. So ist die vom Aussterben bedrohte Meeresschildkröte Caretta-Caretta wieder vermehrt im Ionischen Meer anzutreffen. Auch an unserem Strand im Südwesten von Korfu konnten wir 10 Meeresschildkrötennester zählen. Das Meer in Griechenland ist nach wie vor das sauberste Gewässer in Europa. Gemeinsam mit dem WWF und dem Einbezug der Bevölkerung konnte viel für das Bewusstsein der Griechinnen und Griechen für diese Meeresbewohner, welche vor allem auf den Ionischen Inseln ihre Nester bauen, getan werden. Tourismus und Naturschutz lassen sich sehr gut vereinbaren.

Und da war ja noch was? Syriza und die Realpolitik. Nach wie vor wird die griechische Politik, vor allem die Finanzpolitik, durch die Troika und die EU bestimmt. Alexis Tsipras, der Premierminister, versucht politische Lösungen zu realisieren, da seine Partei nicht über die Mehrheit im Parlament verfügt und die Kommunisten ihre eigenen, unrealistischen politischen Spiele verfolgen und die Politik der Syriza nach wie vor nur lauwarm unterstützen. Dadurch sind weiterhin keine komfortablen Mehrheiten möglich. So können sich die Reichen und die Reedereien weiterhin ihrer steuerlichen Verantwortung entziehen. Denn leider sitzen immer noch zu viele Politiker im Parlament, welche das System des Klientelismus aufrechterhalten. Die Politik von Alexis Tsipras - und das ist meine persönliche Meinung - hat nur dann eine Chance, wenn alle Sozialdemokratischen Parteien innerhalb der EU endlich begreifen, dass die EU demokratischer und sozialer werden muss, und diesem neoliberalem, von der Troika diktierten, menschenverachtendem System endlich der Garaus gemacht werden muss. Denn geht diese Abbaupolitik in Griechenland so weiter und Syriza bekommt keine Chancen ihre Politik der sozialen Marktwirtschaft durchzubringen, dann droht bei den nächsten Wahlen der Sieg der Faschisten der "Goldenen Morgenröte".

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